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Gemeinsam digitaler werden

Digitalisierung und KI

Künstliche Intelligenz im Lager wird kommen, und zwar bald. Darüber waren sich die Experten beim STILL Logistik-Talk 2021 einig. Um die Entwicklung voranzutreiben, brauche es allerdings Zusammenarbeit und Investitionswillen. 

Eine ganze Flotte von autonomen Flurförderzeugen, die alle untereinander vernetzt sind, unterstützt von einer künstlichen Intelligenz, welche die Ware überwacht: Was lange Zeit nach Science-Fiction-Roman klang, könnte schon bald zur Norm werden. „Alle Einzelkomponenten sind jetzt schon da. Und auch das Bewusstsein in der Branche, dass ein Wandel stattfinden wird“, sagt Professor Michael ten Hompel, Executive Director Fraunhofer Institute for Material Flow and Logistics IML. Dabei werde insbesondere die neuronale Schwarmtechnologie eine große Rolle spielen, ist er überzeugt. Dank ihr könne zum Beispiel künstliche Intelligenz (KI) in einer Simulation trainiert werden, um so alle autonomen Komponenten eines Lagers miteinander zu verknüpfen.


Gemeinsame Basistechnologie

Sinnvoll, geradezu notwendig, sind solche innovativen Entwicklungen allemal. Denn die Anforderungen der Kunden an die Logistik sind in den letzten Jahren stark gestiegen: „Allen ist bewusst, dass KI wirkliche Vorteile mit sich bringt und an einigen Punkten auch der einzige Weg ist, zukünftigen Herausforderungen zu begegnen“, unterstreicht ten Hompel. Für den Wandel brauche es allerdings Basistechnologie, auf die man individuelle Lösungen für verschiedene Anwendungsbereiche aufbauen könne. Diese zu entwickeln, sei eine umfangreiche, aber wichtige Aufgabe: „Dafür brauchen wir dringend mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Forschung, Entwicklung und Industrie.“

Dem stimmt auch Jakub Piotrowski zu, Chief Information Officer und Chief Digital Officer der BLG Logistics Group. Er denkt dabei unter anderem an den finanziellen Aspekt: „Digitalisierung ist teuer, besonders wenn man es allein macht“, betont er. Je mehr Partner beteiligt seien, desto schneller tauchten verwandte Themen auf. Häufig sei sogar der gleiche Algorithmus für mehrere Anwendungsfälle nutzbar. „Eine KI, die mittels Bilderkennung Rechnungen verarbeitet, ist beispielsweise auch für Lieferscheine nützlich“, erläutert Piotrowski. In solchen Fällen sei es sinnvoll, wenn mehrere Unternehmen gemeinsam an demselben Algorithmus arbeiten, anstatt je ein eigenes Programm zu entwickeln.


Das Ganze im Blick

Bei digitalen Neuentwicklungen gibt es aber einiges zu beachten: „Beim Digitalisieren passiert es sehr schnell, dass ein Prozess isoliert betrachtet wird“, sagt Piotrowski. Zum Beispiel die Diskussion über standardisierte Packstücke: Die hätten zweifellos das Potenzial, die Automatisierung in der Logistik weit voranzubringen. Sollten allerdings solche neuen Verpackungsgrößen dazu führen, dass in anderen Stückzahlen produziert werden muss oder sonstige Prozesse sich ändern, sodass die Produktion sich verlangsamt, sei damit nichts gewonnen, so Piotrowski.

Automatisierung

Es gilt also, bei der Standardisierung das große Ganze im Blick zu haben und nicht nur punktuell auf einzelne Fertigungsabschnitte zu schauen, ergänzt Tobias Zierhut, Senior Vice President, Mobile Automation der KION Group. „Man muss auch die vorgelagerten und nachgelagerten Prozesse mit einbinden. Und das macht es dann aufwendig und teuer“, so Zierhut. Umso sinnvoller sei es deswegen, digitale Standardisierungen erst einmal im Kleinen zu testen und den Mehrwert herauszuarbeiten.


Standards weiterentwickeln

Standards aber sind niemals statisch – sie müssen sich weiterentwickeln. „Neue Entwicklungen müssen leben und weiter vorangebracht werden“, sagt ten Hompel. Auch deswegen plädiert er für ein Open-Source-Konzept bei Neuentwicklungen, also ein Konzept, bei dem der Quelltext einer Software öffentlich zugänglich ist: „Das macht es dann möglich, auch abseits des Standards weiterzudenken.“ Die Herausforderung: Viele Unternehmen zögern, wenn es darum geht, wertvolle Daten und Algorithmen offenzulegen. „Besonders in den USA machen diese immateriellen Assets bis zu 90 Prozent der Unternehmenswerte aus“, erläutert ten Hompel. Zwar sei man von solchen Zahlen in Europa noch weit entfernt, doch auch hier haben Unternehmen erkannt, dass Daten einen wichtigen Vermögenswert darstellen, den sie ungern teilen wollen.

Zierhut sieht im Fokus auf Daten eine zusätzliche Kostenfalle: „Viele Unternehmen sammeln im ersten Schritt Daten und überlegen erst dann, was sie damit machen. Das ist aber nicht wirtschaftlich.“ Denn auch Daten zu sammeln, erzeuge schließlich Kosten. Entscheidend sei also die Frage, welche Daten überhaupt gebraucht werden – und welchen Nutzen die gesammelten Informationen anschließend bieten. Dabei sei auch die Qualität der Daten ein wichtiger Aspekt, ergänzt Piotrowski. Er schlägt ein Umdenken vor: Unternehmen sollten sich zunächst fragen, was genau sie mit den Daten eigentlich beweisen wollen, und erst danach anfangen, die entsprechenden Daten zu sammeln. „Die Daten einfach nur zu sammeln, kostet viel Geld, bringt aber nichts“, bilanziert Piotrowski.


Daten richtig nutzen

Daten nämlich sind dann wertvoll, wenn ein Unternehmen neues Wissen daraus gewinnen kann. Laut Piotrowki sind nicht die Datensätze selbst entscheidend, sondern die Aussagen, die sich aus diesem Wissen ableiten lassen: „Wenn ich dem Kunden anbiete, mithilfe der gesammelten Daten exakte Prognosen zu erstellen, dann macht es das Geschäft kalkulierbarer und ich beeinflusse etwas, das monetär greifbar ist.“

Das gilt für sehr viele digitale technische Neuerungen. Die zentrale Frage sei zunächst, betont Piotrowksi, ob sie in der Praxis von Nutzen sind: „Bei neuen Themen muss ich als Unternehmer immer überlegen, was ist mein Anwendungsfall und wie hoch ist mein Budget. Und dann muss ich mir harte Abbruchkriterien setzen, damit ich nicht zu viel in ein Projekt investiere, aus dem am Ende nichts wird.“ Eine digitale Lösung zu entwickeln und zu testen, sei erst einmal kostspielig. Häufig seien diese Digitalisierungslösungen im Anschluss aber sehr gut skalierbar.

Insbesondere die Schwarmtechnologie ist dafür ein treffendes Beispiel. Sie erfordert eine gewisse finanzielle Investition und kann Unternehmer dadurch eingangs abschrecken. „Aber wenn dieser Schritt erst einmal geschafft ist, kann man sie im Lager einfach weiter ausbauen“, erklärt Piotrowki, „dann kopiere ich das Wissen einfach auf das neue Gerät.“ Die Skalierbarkeit sei der Aspekt, der die Technologie als Investition interessant mache.


Kulturwandel

Um die Schwarmtechnologie und andere digitale Lösungen tatsächlich im Lager zu etablieren, fehle an einigen Stellen weiterhin der Investitionswille der Unternehmen, so ten Hompel: „Man redet schnell den Nutzen kaputt, anstatt offen zu überlegen: Wie mache ich es möglich?“ Doch aus seiner Sicht ist völlig klar, dass diese Technologie nicht mehr aufzuhalten sei, dazu biete sie langfristig zu viele Vorteile. Die versammelten Diskussionsteilnehmer sind sich einig: Die Branche steht vor einem Kulturwandel. Wer langfristig nicht mitgehe, werde abgehängt. Die Spitzen, die durch die Zunahme des Onlinehandels in der Logistik entstehen, seien ohne autonome Logistiktechnologie gar nicht mehr zu bewältigen. „Das erste Schwarmlager ist nicht weit weg“, ist ten Hompel sich sicher.

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